Aktuelle Probleme der Enterbung und Pflichtteilsentziehung*

Durch eine Verfügung von Todes wegen (Testament/Erbvertrag) kann ein Erblasser gesetzliche Erben von der Erbfolge ausschließen. Im Fall der Enterbung entsteht durch den Erbfall für den Enterbten dann möglicherweise ein Pflichtteilsanspruch. Die Enterbung umfasst grundsätzlich nur die enterbte Person, nicht jedoch ihre Abkömmlinge (Kinder, Enkelkinder, Urenkel).

Zu unterscheiden ist die Enterbung von der sog. „Pflichtteilsentziehung“. Damit der Pflichtteil entzogen werden kann, müssen schwerwiegende Gründe vorliegen. Die Pflichtteilsentziehung ist nur unter den in § 2333 BGB aufgezählten Umständen möglich. Dies kommt insbesondere dann in Frage, wenn der Pflichtteilsberechtigte nach dem Leben des Erblassers trachtet, sich eines Verbrechens schuldig macht, die gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt wurde. Bei einer Pflichtteilsentziehung müssen zwingend die Gründe für die Entziehung in einer Verfügung von Todes wegen angegeben werden. 

Eine Enterbung hingegen muss nicht begründet werden. Eine Enterbung muss zudem nicht ausdrücklich angeordnet werden. Alternativ können durch ein Testament/Erbvertrag gesetzliche Erben ausgeschlossen werden, wenn der Erblasser hierin andere Personen als die gesetzlichen Erben zu seinen Erben bestimmt.

Zudem ist es möglich, den Pflichtteil eines Abkömmlings zum Schutze des Familienvermögens durch Anordnung zu beschränken. Die Beschränkung durch Nacherbschaft/Nachvermächtnis oder Dauertestamentsvollstreckung kommt in Betracht, wenn ein Abkömmling hoch verschuldet ist oder sich der Verschwendung ergeben hat. 

Im Zusammenhang mit dem Thema Enterbung und Pflichtteilsentziehung ergeben sich diverse Problemstellungen, zu denen in jüngster Zeit obergerichtliche Entscheidungen ergangen sind:

I. Selbständige Enterbung?

Fraglich ist, ob die Enterbung durch den bloßen Ausschluss der gesetzlichen Erben auch bestehen bleibt, wenn die verfügte Erbeinsetzung unwirksam sein sollte. Grundsätzlich entfällt mit der unwirksamen Erbeinsetzung auch die damit einhergehende Enterbung, es sei denn, es entsprach ausdrücklich dem Willen des Erblassers, dass er unabhängig von der Erbeinsetzung eine Erbausschließung erklären wollte. Dafür muss es im Testament besondere Anhaltspunkte geben und der Ausschließungswille muss eindeutig zum Ausdruck kommen (Beschluss des OLG Brandenburg vom 17. November 2022, 3 W 121/2).

II. Wirksame Enterbung trotz unwirksamer Pflichtteilsentziehung?

Es ist fraglich, welche Auswirkungen eine erfolglose bzw. eine später unwirksam gewordene Pflichtteilsentziehung auf die in demselben Testament enthaltene Enterbung hat. Die Pflichtteilsentziehung kann zum Beispiel durch Verzeihung unwirksam werden. Das OLG Karlsruhe fasste diesbezüglich am 8. Februar 2023 einen Beschluss (11 W 94/21). Auslegungsleitend sei der Schutz des Pflichtteilsberechtigten. Die Enterbung werde demnach nicht analog zur Pflichtteilsentziehung unwirksam. Vielmehr gilt darzulegen und zu beweisen, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Pflichtteilsentziehung und Enterbung steht. Ist dies nicht der Fall bleibt die Enterbung bestehen.

III. Stillschweigende Enterbung durch Pflichtteilsanrechnung in einem Überlassungsvertrag?

Wie zuvor geschildert, ist ein stillschweigender Ausschluss von der Erbfolge (Enterbung) grundsätzlich möglich. Indizien für einen Ausschließungswillen können unter anderem auch lebzeitige Zuwendungen sein, durch die der gesetzliche Erbe endgültig abgefunden sein soll. Diese Zuwendungen zu Lebzeiten spielen insbesondere bei Überlassungsverträgen, welche im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen, eine Rolle. 

In einem Urteil des OLG Brandenburg vom 31. August 2022 (3 W 55/22) und nach Rechtsprechung des BGH wurde die unentgeltliche Übertragung eines Vermögenswerts im Wege der vorgenommenen Erbfolge als „Enterbung mit Pflichtteilsberechtigung“ gedeutet. 

Zu kritisieren sind die Urteile dahingehend, dass es sich bei einem notariellen Überlassungsvertrag grundsätzlich nicht um eine letztwillige Verfügung handelt. Der erforderliche Testierwille sei hier nicht klar erkennbar, und es stünde nicht außer Zweifel, dass der Erblasser die von ihm erstelle Urkunde als rechtverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder, dass diese als solche angesehen werden könnte. Demnach müsste der Notar etwas komplett anderes beurkundet haben, als die Beteiligten wollten, was kaum anzunehmen ist. Die Auslegung des OLG Brandenburg ist somit nicht zutreffend.

Gestaltungshinweise zur Enterbung

Es ist ratsam eine Enterbung eindeutig zu formulieren. Ist nur ein Ausschluss des Enterbten durch Einsetzung anderer Erben gewünscht, ist es empfehlenswert, die ausgeschlossenen Personen unter Verweis auf den gesetzlichen Pflichtteil zu erwähnen und an dieser Stelle klarzustellen, ob sich die Enterbung auch auf deren Abkömmlinge erstreckt. Zudem kann vermerkt werden, dass die Enterbung auch im Falle einer unwirksam getroffenen Erbeinsetzung bestehen bleiben soll.

 

*Die nachstehenden Ausführungen basieren auf dem Aufsatz von Notar Prof. Dr. Christopher Keim in: Deutsche Notarzeitschrift 2024, 246.